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Das Tor der "heimlich Schwangeren"

Durch dieses Tor gingen zwischen 1784 und 1854 jährlich Hunderte ledige Frauen, die im Gebärhaus anonym und relativ sicher entbinden konnten, ohne gesellschaftlich stigmatisiert zu werden. Diese "heimlich Schwangeren" waren zwar nur eine Minderheit unter den hunderttausenden Frauen, die hier Kinder zur Welt brachten, waren aber eine Besonderheit des Gebärhauses im AKH.

Das Tor der "heimlich Schwangeren" war ein unscheinbarer Eingang, versteckt zwischen Infanteriekaserne (heute: Nationalbank) und Spital, nur durch eine enge Sackgasse erreichbar. Das Tor war stets verschlossen, aber wurde rund um die Uhr von einem eigens angestellten Portier betreut, der nur öffnete, wenn sich eine Schwangere am Glockenzug bemerkbar machte und Einlass verlangte. So konnten Frauen aller sozialen Schichten anonym die Anstalt betreten, sicher gebären und das Haus wieder verlassen, mit oder ohne Kind. Ihre Namen wurden nicht verzeichnet.

Säuglings-und Kinderfürsorge wurden erstmals als zentrale Aufgabe des Staates definiert. Dies sollte einerseits das Bevölkerungswachstum steigern, zum anderen aber auch von einem neuen und rationaleren Umgang mit dem Problem unehelicher Geburt und Kindsmord zeugen. Das Nützlichkeitsdenken reichte bis zum toten Säugling: Kinderleichen wurden der Prosektur zur Verfügung gestellt und dienten der Aus- und Fortbildung der Ärzte.

1854 wurde die Zahlabteilung des Gebärhauses im AKH aufgelassen bzw. als eigene Institution in der Nähe neu errichtet. Bis 1868 wurden 30 Prozent aller in Wien geborenen Kinder im Findelhaus abgegeben, um die Mitte der 1870er Jahre fiel die Quote.

Foto © Uni Wien

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