Der letzte Schiffbauer vom Traunsee

Josef Renhardt

Ein Bootsbauer vom Traunsee erzählt

Der letzte Schiffbauer vom Traunsee

Er sitzt am breiten Eichentisch, den Schurz umgebunden, und schaut durch die Fensterscheiben auf den Traunsee, der knapp an sein Haus heranschlägt, das schon seit 1626 steht. Der Traunsee ist sein Lebenselement – gewesen, müssen wir bekennen, denn Meister Johann Höllwerth, der letzte Bootbauer großen Stils am Traunsee Ufer, ein Könner vom alten Schlag, ist bereits 75 Jahre alt geworden und arbeitsmüde.

Trotzdem würde er noch nach der Hacke greifen, aber die neue Zeit braucht seine Handwerksschöpfungen nicht mehr – die Großwerke haben Eisenpontons in Betrieb genommen, das Handwerk des Bootbauers ist ausgestorben, die „Werft" am lachend grünen Salzkammergutsee stillgelegt. Vor Jahren, als das Salz auf den sogenannten Traunern verfrachtet wurde, war eine stattliche Gilde am Werk. Vater Matthias Höllwerth beschäftigte stets zehn Arbeiter, durchwegs Spezialisten, auch der greise Bootbauer, der mit uns ins Gespräch kam, hatte seinen Mitarbeiterstab zur Seite, wenngleich er selber vom ersten Hahnenschrei bis tief in die Nacht hinein nicht zur Ruhe kam.

Die Salztrauner wurden in verschiedenen Größen hergestellt. 10, 12, 14, 16 Klafter waren die Maße, die Breite betrug meist 14 Schuh. Salzkobl nannte man die Schiffe mit dem dachartigen Verdeckaufbau. Für das Forst-Ärar wurden Holzzillen mit 32 Meter Länge und 4 Meter Breite hergestellt, Hier wurde der Boden aus rund 40 Laden gebildet. Die „Fortgeher" – Schiffe, die für den Salztransport bis ins Schwarze Meer bestimmt waren – wurden besonders stark gebaut. Interessant sind auch die Preise: Für einen Zehner wurden 120, für einen Sechzehner 300 Gulden bezahlt. Die Jahresproduktion schwankte zwischen dreißig und vierzig Traunern".

Zum Schiffbau wurde durchwegs Fichtenholz verwertet, und zwar Fichtenstämme mit den Wurzeln. Die Rippen – Kipfen genannt – müssen gut abliegen und den Schiffsbrettern Halt geben. Das Kipfen-Hacken ist bereits ein wesentlicher Vorgang beim Schiffbau. Soweit sich Meister Höllwerth entsinnen kann, lieferte der Kipfenhändler Johann Mayer das beste Material aus dem Kobernaußerwald. Er selbst holte sich's in der Grünau, und mit seliger Freude bekennt er: Freilich, am besten war's in Steinkogl dort gab's einen richtigen Kipfenwald!

Zu einem Zehner benötigte man 28 „Kipfn". In der Werkstätte wurde alles, gehackt. Das Grundmaß geben die Seitenwände. Der Boden wird genau berechnet und zugehackt, dann werden im Abstand von 33 zu 33 Zoll die Rippen eingeteilt. Sie werden mit Holznageln festgenagelt, ebenso werden die Seitenwände aufgenagelt. Kranzlinge schließen das Schiff vorn und rückwärts ab. Schließlich wird der „Sambam" (Saumbaum) zugehackt. Das Spannen des Abschlußbaumes verlangt eine Meisterhand.

Das Vernageln ist übrigens ein Spezialvorgang, die etwa ein Zentimeter breiten, konisch nach außen liegenden Zwischenräume werden verdichtet oder – wie der Fachausdruck heißt – verschoppt". Man schneidet Dreikantstäbe (Moosbeil" genannt), die wie ein Keil in die Fugen eingepasst werden. Darauf kommt gesponnenes Moos einfaches Waldmoos, das zu einem Sell gedreht wurde). Je nach Fugenbreite wird es auseinandergezogen oder zusammengepresst. Schließlich kommt noch das „Zaunen“ über das Moos kommt ein Latterl). Mindestens zehn Jahre muss das Schiff tragen.

Der „Stapellauf" heißt bei den Fachleuten „Tauchen". Damit wird das Schiff in Betrieb genommen. Bei größeren Fuhren – so verschlang ein Vierzehner vier bis fünf Eisenbahnwaggonladungen – gab's meist eine Segensfeier. Nur mehr zwei Pölzen (Stützen) halten das Seefuhrwerk „Also, san ma eahm an?" fragt nun der Meister. „Ja". rufen die Gehilfen, wenn alles stimmt. Dann gibt der Meister das Startzeichen: „Also, weg in Gotts Nam!" Indes werden die Stützen weggeschlagen, und das Holzungetüm senkt sich ins Wasser. Meister und Gehilfen sind stolz, man begießt natürlich den Erfolg und freut sich vom Herzen. „Wer unere Arbeit will betrachten, der darf auch a Maß nicht achten!"

Die Zeit schritt weiter – und heute sind die Werften" einsam und verödet. Die Hochseehäfen wuchsen ins Gigantische, die Ozeanriesen bieten sich als Schwimmende Städte dar – und im Salzkammergut schrumpft das Schiffbauen immer mehr zusammen. Ein uraltes Handwerk ist eingeschlafen, Meister Höllwerth ist der letzte seines Fachs und das ist an sich schade! Das Bootbauer-Handwerk hatte einmal einen goldenen Boden...

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